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Erste Destabilisierungsversuche gegen die neue Regierung

Fijáte 404 vom 20. Feb. 2008, Artikel 5, Seite 4

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Erste Destabilisierungsversuche gegen die neue Regierung

8. Zuguterletzt verfeinerte Álvaro Colom inzwischen seinen Verdacht, den er von Anfang an hatte. Er sah in der Attacke gleich die klare Botschaft eines Destabilisierungskomplotts gegen seine Regierung. Ein durch die Morde provozierter Generalstreik der Transportunternehmen sollte das Land in die völlige Unregierbarkeit versetzen. Dies sei die Gegenreaktion auf die angezogenen Sicherheitsmassnahmen und ersten tiefer gehenden Ermittlungen gegen parallele Körperschaften. Speziellen Verdacht hegt Colom gegen Gruppen des VGorganisierten VerbrechensNF, die sich dem Schmuggel widmen (wobei er die Art desselben nicht detaillierte), denn die VGSteuerbehördeNF (SAT) sei so manchen dunklen Machenschaften derzeit auf der Spur.

9. Am wahrscheinlichsten klingt bislang die Theorie, dass die maras von Hintermännern mit den Taten beauftragt, dafür bezahlt und mit der nötigen Infrastruktur und Information ausgerüstet und unterstützt wurden. Dirigiert und koordiniert sollen die Morde von mindestens drei inhaftierten mara-Mitgliedern worden sein, die in der Hauptstadt und in VGChimaltenangoNF einsitzen. Zwei "Strohfrauen" und ein weiterer marero wurden dabei gefasst, wie sie erpresste Steuergelder einsammelten und den Häftlingen übergaben. Zudem sollen die Inhaftierten wenige Tage zuvor dafür gesorgt haben, dass zwischen 30 und 50 Mobiltelefone an Busunternehmer verteilt wurden, über die diese informiert wurden, dass die Lösegeldsumme erheblich erhöht werde. Nach dieser Ankündigung kam es am nächten Tag gleich zu den ersten fünf Morden.

Die Reaktionen

180 Busfahrer haben seitdem ihren Job gekündigt.

Bei einer Demonstration in der letzten Woche, auf der die Busfahrer und ihre Gehilfen mehr Sicherheit in den Bussen und auf den Strecken forderten, kam es zu einem zusätzlichen Verbrechen. Laut ZeugInnen seien drei Polizisten auf der Demonstration erschienen, vermeintlich, um diese aufzulösen. Dabei nahmen sie drei jugendliche Busgehilfen fest und als einer von diesen davonlief, wurde von den Polizisten auf ihn geschossen. Er erlag noch am Ort des Geschehens seinen Verletzungen. Die anderen beiden Jungen wurden mit auf das Kommissariat der berittenen Polizei genommen, wo sie nach eigenen Aussagen mit Schlägen und im Verhörraum ausgesetztem Tränengas gefoltert wurden, während die Polizisten wissen wollten, wer zu der Demo aufgerufen hatte. Die drei in die Tat involvierten PNC-Agenten sitzen in Untersuchungshaft, angeklagt wegen aussergerichtlicher Hinrichtung.

Die meisten Busunternehmen, die tagelang ihre Arbeit komplett niedergelegt hatten und zum Teil noch haben, vertrauen indes auf die Regierungsversprechen und deren Aktionen "Sicherer Bus", die das Mitfahren von PolizistInnen- und Militärduos und teilweise verdeckten AgentInnen beinhalten, und "Sichere Haltestelle", sprich Reduzierung der Stopps und Polizeipräsenz an den Haltestellen, Busbahnhöfen, sowie erhöhten Einsatz von Motorradpatrouillen und Eskorten der Busse.

Um diese Verstärkung zu gewährleisten, haben sowohl die Polizei als auch das Militär bereits einige ihrer Leute aus dem Landesinneren in die Hauptstadt beordert, wobei viele Munizipien eh schon unterbesetzt sind. Colom und das Innenministerium ziehen zudem in Erwägung, im Osten des Landes und in den Grenzregionen den VGAusnahmezustandNF zu deklarieren. Der Präsident hatte schon in den ersten Tagen die Ermittlungsunterstützung der VGInternationalen Kommission gegen StraflosigkeitNF in Guatemala (CICIG) erbeten, dessen Chef, VGCarlos CastresanaNF, sagte bereits zu.

Angeblich sind schon vier mutmassliche Täter festgenommen und drei Banden identifiziert, die die Taten ausgeführt haben sollen.

Der Kongress hat derweil beschlossen, einen bei der VGWeltbankNF beantragten Kredit statt in Dünger, Entschädigungszahlungen an Opfer des bewaffneten internen Konflikts und Belohnungsgelder für Aufforstungsinitiativen in die Stärkung des VGForensischen InstitutsNF (INACIF) und weitere für die Kriminalermittlung nötige Strukturen zu stecken. Ausserdem werden jetzt wieder diverse Gesetzesinitiativen herausgekramt, die seit langem zu billigen oder zu reformieren sind, darunter das Gesetz zu Waffen und Munitionen.

Unterdessen meldete sich VGOtto Pérez MolinaNF von der VGPatriotischen ParteiNF, der Colom in der finalen Stichwahl ums Präsidentenamt unterlag und sich mit seinem Wahlslogan "Harte Hand" für die Verbrechensbekämpfung zu empfehlen versucht hatte, kritisch zu Wort. In den Kanon stimmte auch VGAlejandro GiammatteiNF ein, der als Präsidentschaftskandidat für die VGGrosse Nationale AllianzNF (GANA) auf dem dritten Platz gelandet war und als Direktor des Gefängnissystems im September 2006 mit einer aufsehenheischenden Aktion das Gefängnis VGPavónNF stürmen liess, bei dem sieben als VGDrogenbosseNF geltende Männer getötet wurden - aussergerichtlich hingerichtet, wie der Bericht des Menschenrechtsprokurats aufweist. Beide resümierten selbstgefällig, die neue Regierung wisse nicht, wie der Gewalt zu begegnen sei und habe keine Strategie (Pérez) bzw. sie habe keinen konkreten Sicherheitsplan (Giammattei). Neben jeweils eigenen Vorschlägen waren sie sich noch in einem anderen Punkt einig, der schliesslich gar von Colom übernommen und derzeit heftig diskutiert wird: Die Notwendigkeit der Wiederausführung der VGTodesstrafeNF, deren Anwendung während der letzten sieben Jahre in einem juristisches Vakuum gesteckt hat (siehe separater Artikel).


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