guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

Täter oder Mittäter?

Fijáte 433 vom 22. April 2009, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 433 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte

Täter oder Mittäter?

Kann die ökonomische Elite sich von dem Vorwurf ihres Involviertsein in die Verletzung der VGMenschenrechteNF erlösen mit dem Argument, just in der blutigsten Epoche des Krieges mit den Militärs gebrochen zu haben?

Mindestens drei Studien, alle durchgeführt von AkademikerInnen, die Mitglieder der Wirtschaftselite interviewten, thematisieren die Beziehungen zwischen den beiden dominanten Gruppen während dieser Periode. Dabei kommen sie zu verschiedenen Schlüssen in Bezug auf die finanzielle Hilfe, welche die Unternehmen der Armee in jenen Jahren hat zukommen lassen.

So argumentiert die US-Amerikanerin Rachel McCleray, Autorin einer Untersuchung des VGSelbstputsches des Präsidenten VGJorge Serrano Elias im Jahr 1993 mit dem Titel Die Demokratie anordnen: Die guatemaltekischen Eliten und das Ende des bewaffneten Konflikts (1999), dass der einzige Unternehmenssektor, der aktiv mit den Militärdiktaturen von VGLucas GarcíaNF und VGRíos MonttNF kooperiert habe, jener der Finqueros gewesen sei: "Auch wenn die nationale Ausweitung der staatlichen Gewalt notwendig war, um die Aufständischen zu bezwingen, war sie nicht integraler Bestandteil der wirtschaftlichen Interessen der industriellen und Handelseliten. Vielmehr diente die vom Staat ausgeübte Gewalt dazu, die Interessen der Agrar-elite zu beschützen", meint McCleary. Einige Finqueros, mit dem zivilen Kommandanten der Flugstreitkräfte-Reserve, Gustavo Anzueto Vielmann an ihrer Spitze, stellten den Militärs ihre Flugzeuge und Hubschrauber zur Verfügung, um Verletzte zu evakuieren und Versorgungsgüter zu transportieren, aber die ökonomische Unterstützung des CACIF "wurde nicht verwirklicht". "Einzelne Unternehmer sammelten Gelder und halfen den Militärs, aber nicht im Rahmen einer organisierten Aktion", schreibt McCleary.

Nichtsdestotrotz befindet Román Krznaric, dass die Kooperation zwischen beiden Sektoren möglicherweise viel umfangreicher und organisiert gewesen war. Doch im Moment der Untersuchung sprachen viele der von ihm interviewten Unternehmer wenn überhaupt, nur bei ausgeschaltetem Band über die Beteiligung ihres Sektors am Konflikt.

Einer der wenigen, die das Thema ansprechen, identifiziert als "jemand, der in wichtigen Posten von städtischen Unternehmensorganisationen tätig war", erzählt, dass es "zweifellos der Agroindustrie-Sektor und Teile des Industriesektors waren, die am meisten zu verlieren hatten und die die Armee am stärksten unterstützt haben." Ausserdem fügt er hinzu, dass "der Privatsektor, der im CACIF organisiert ist, der wichtigste Sponsor des Militärs während des Krieges gewesen war".

Einen weiteren Standpunkt wird in dem Buch Die Domänen der Macht: Der Scheideweg Steuern, von den GuatemaltekInnen Mayra Palencia und J. Fernando Valdez vertreten. Ihnen zufolge war es weniger so, dass eine grosse Gruppe von UnternehmerInnen nicht daran interessiert gewesen sei, die Repression offen zu unterstützen. Sie war vielmehr der Ansicht, dass sie mit den Geldern, die sie dem Staat mittels ihrer Steuern zahlten, genug dazu beitrugen. "Die unterschiedlichen Beweggründe, die hinter den jeweiligen Argumenten der Beteiligten standen, war offensichtlich: Auf der einen Seite forderte eine Regierung, die sich leiten liess von der Aufstandsbekämpfungslogik, ausserordentliche Opfer von ihren grössten Beitragszahlenden, und sie begündete diese Forderung letztlich damit, deren Interessen (und Besitz) zu verteidigen. Und auf der anderen Seite die UnternehmerInnen, die Ergebnisse forderten für das Geld, das sie bereits entweder per Steuern oder via Direktzahlung - der so genannten "Kriegssteuer" an die Guerilla - beigetragen hatten.

Möglicherweise ist der beste Beweis für die Komplizenschaft zwischen den wirtschaftlichen und militärischen Mächten, die von Marta Elena Casaús Arzú in einem 1993 erschienenen Buch erwähnte Tatsache: Beide Gruppen teilten sich selbst in den härtesten Zeiten des Krieges Posten in der Staatsverwaltung. "Während der letzten Jahrzehnte", schreibt sie, "in denen die traditionellen Mächte auf den Autoritarismus und die Aufstandsbekämpfung setzten, delegierten sie bestimmte politische Aufgaben an Militärs, reservierten sich aber zugleich zwei oder drei Schlüsselministerien, wie das der Landwirtschaft, Wirtschaft und Finanzen und in manchen Momenten das VGAussenministeriumNF. Namen wie Arenales Catalán, García Granados, Ibarra Ibarguen und VGDíaz Durán gehören zu den Familiennetzwerken."

Wie verantwortlich sind sie?

Die Koautorin von "Die Domänen der Macht", Mayra Palencia, ist der Ansicht, dass die UnternehmerInnen bis zu einem gewissen Punkt auf jeden Fall verantwortlich sind für all das während des Krieges geschehene Leid. "In diesem Land wussten hauptsächlich zwei Sektoren ganz genau, was während des Konfliktes passierte: der Privatsektor und das Militär. Und auch wenn man nicht sagen kann, dass dem Privatsektor die gleiche Verantwortung für all das Blut anzulasten ist wie den Streitkräften, muss doch gesagt werden, dass keinE einzigeR UnternehmerIn seinen/ihren Mund aufgemacht hat gegen die vom Militär begangenen Grausamkeiten."

In "Was die Reichen den Armen nicht erzählen", erklärt der erwähnte anonyme Unternehmer, dass die Eliten aus einem einfachen Grund nicht protestierten: "Der Unternehmenssektor machte sich um seine ökonomische Position Sorgen. (…) In Wirklichkeit war die Guerilla ein Angriff gegen die UnternehmerInnen - der Agrarwirtschaft wie der Industrie. Die Rolle des Unternehmenssektors war ganz klar: totale Unterstützung für das Militär."

Da sie diese "totale Unterstützung" gegeben haben, folgert Krznaric nach all seinen Interviews, dass viele UnternehmerInnen, genauso wie viele Militärs vor Gericht gestellt gehörten. "Warum sollte man nicht von ihnen fordern, dass sie sich sich für ihre Taten verantworten?" Gemäss dem britischen Autor ist es an der Zeit, dass AktivistInnen, AnwältInnen und internationale Organisationen die Verwicklung der Oligarchie in den Krieg ernster nehmen.

Auch weist er darauf hin, dass es weitreichende Gerüchte gebe über die Finanzierung von VGTodesschwadronenNF durch UnternehmerInnen, räumt aber ein, dass es dafür wenige Beweise gebe. Krznaric nennt als Beispiel aus dem Bericht der Wahrheitskommission (CEH) den Fall der VGZuckerfabrikNF Pantaleón, im Besitz der Familie Herrera. Während der 70er und 80er Jahre wurden die GewerkschafterInnen dieser Zuckerrohrplantage systematisch getötet. Die Gewerkschaften haben ausserordentlich lange ausgeharrt, so die CEH, aber Mitte der 80er, erschöpft durch den Terror, optierten sie dafür sich aufzulösen.

Ein weiteres Beispiel ist das von Panzós, VGAlta VerapazNF, wo das Militär 1978 53 Menschen massakrierte. Die Opfer waren BäuerInnen, die das Land einforderten, welches ihnen durch die VGAgrarreformNF von Präsident Árbenz übergeben worden war und das während der Konterrevolution den Grossgrundbesitzenden wiedergegeben wurde. Gemäss der CEH "veranschaulicht dieser Fall den Einfluss, den der Sektor der LandeigentümerInnen auf den Staatsapparat ausübte, damit dieser zu ihren Gunsten die Konflikte über Landbesitz entscheide, in dem die bewaffnete Gewalt gegen arme BäuerInnen eingesetzt wurde und das Militär in die Landproblematik hineingezogen wurde."


PDF Original-PDF 433 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte