guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

"Uns gehen langsam die Strategien aus..."

Fijáte 331 vom 30. März 2005, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 331 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte

"Uns gehen langsam die Strategien aus..."

Fincas haben bereits alle Angestellten entlassen und stellen ihre temporären Arbeitskräfte nicht mehr direkt ein, sondern Drittpersonen, die nicht direkt belangt werden können. Dazu kommt, dass auf vielen Fincas gar nicht mehr gearbeitet wird. Vielleicht jetzt, wo der Kaffeepreis wieder etwas ansteigt, wird auch wieder mehr in die Fincas investiert, aber viele haben aufgehört zu produzieren und wollen ihre Fincas verkaufen. Diese Verhaltenskodizes würden in Guatemala nur etwas bringen, wenn auch die Fincas funktionieren und viele ArbeiterInnen direkt beschäftigen würden. Offenbar sind sie jetzt daran, solche Verhaltenskodizes mit grossen Firmen wie Nestlé etc. auszuarbeiten. In Guatemala ist da auch VGANACAFENF, die Vereinigung der Kaffeeproduzenten involviert. Derweil haben wir seit Jahren reale Arbeitskonflikte mit Mitgliedern von ANACAFE, die ihre Angestellten entlassen haben und sich weigern, den ausstehenden Lohn oder Abgangsentschädigungen auszuzahlen. Frage: Seit der Unterzeichnung der Friedensabkommen sind Rundtische und paritätischen Kommissionen in Mode gekommen. Die Plataforma nimmt da auch teil. Wenn du heute eine Evaluation dieser Rundtische machst, wie sieht diese aus? U.R.: Die Teilnahme an diesen Rundtischen war für die soziale Bewegung sehr aufwändig und energiefressend. Was wir erreicht haben? Ein Gesetz über den Landfonds, der unserer Ansicht nach ein Misserfolg ist, Landkommissionen, die nicht

richtig funktionierten und ein VGKatastergesetzNF: Vier Jahre wurde verhandelt, um ein einigermassen zufriedenstellendes Gesetz auszuarbeiten. Doch auch mit diesem Gesetz werden die Grundprobleme nicht gelöst werden können. Das ist alles. Wenn du diese Resultate siehst ­ es ist erschrekkend wenig, was wir erreicht haben. Frage: Mit dem Effekt, dass heute die BäuerInnenbewegung gespalten ist, weil man keine gemeinsame Strategie gegenüber der Regierung entwickeln konnte... U.R.: Das kommt noch hinzu. Die BäuerInnenbewegung wurde durch diesen Prozess gespalten und geschwächt. Die Regierung hingegen hat gelernt, wie sie mit uns verhandeln, wie sie uns gegeneinander ausspielen kann. Sie haben gelernt, dass unser Druck nicht mehr als Schaum ist, der sich wieder auflöst. Du siehst also, meine Evaluation von diesem Dialog- und Verhandlungsprozess ist nicht sehr positiv. Wir hätten mehr Zeit investieren müssen in die lokale, soziale und politische Organisation unserer Leute und in die Erarbeitung einer Strategie gegenüber der Regierung. Wenn ich von der Organisation der Leute spreche, meine ich nicht unbedingt Parteipolitik, sondern den Aufbau einer minimalen Macht, die von den Leuten selber ausgeht. Frage: Wie geht es nun weiter? U.R.: Uns gehen langsam die Strategien aus. Ehrlich! Die aktuelle Regierung setzt sich zwar mit uns an den Tisch und hört uns zu, doch sie unternimmt nichts. Proteste und Druck von der Strasse bringen auch nicht viel, die ehemaligen VGZivilpatrouillistenNF (VGEx-PACNF) z. B. haben 40'000 BäuerInnen auf die Strasse gebracht und haben, wie es scheint, nicht erreicht, was sie ursprünglich wollten. Das andere Problem ist, dass diese Verhandlungstische nun einmal existieren und wenn wir nicht daran teilnehmen, wird über unsere Köpfe hinweg entschieden. Ich denke, wir werden in Zukunft ein Minimum an Zeit in diese Verhandlungen investieren und uns mehr auf die Organisation der Leute konzentrieren. Es würde uns sicher viel helfen, wenn wir eine gemeinsame Strategie mit der historischen BäuerInnenbewegung, mit CNOC, aufbauen könnten, mit den sozialen Bewegungen überhaupt. Frage: Und wo liegt da das Problem? U.R.: Es sind strategische Probleme. Es gibt Organisationen, denen sind Gesetze das Wichtigste. Das ist zwar gut, aber damit verbringen wir Jahre, ohne dass die Probleme der Leute gelöst würden. Ein weiterer Streitpunkt ist der Landfonds. Wir können nicht einerseits die Abschaffung des Landfonds fordern und auf der anderen Seite mit der Regierung Abmachungen aushandeln, die dann über den Landfonds ausgeführt werden sollen. Somit stärken wir, was wir eigentlich kritisieren. Frage: Ich sehe übrigens noch einen weiteren Unterschied zwischen den traditionellen BäuerInnenorganisationen und der Plataforma: Die Repräsentanten der ersten sind in ihrer Mehrheit Männer, bei der Plataforma stehen viele Frauen ­ vor allem intellektuelle Ladinafrauen aus der Hauptstadt ­ an der Spitze. Weshalb ist das so und wie reagiert eure Basis darauf? U.R.: Es gibt eine sehr genuine Organisation innerhalb der Plataforma, ASUDI in VGSololáNF, gebildet in seiner Mehrheit aus Ex-KämpferInnen der VGURNGNF. Sie haben eine unglaubliche Mobilisierungskraft unter der lokalen indigenen Bevölkerung. In dieser Organisation haben die Frauen eine Protagonistinnenrolle. Was uns Frauen an der Spitze der Organisation betrifft, ist das vielleicht mit ein Grund, weshalb wir mit der historischen BäuerInnenbewegung Probleme bekamen. Wir stammen aus einer anderen Generation, haben den Krieg nicht aktiv mitrlebt. Unsere Geschichte und unsere Interessen sind andere: Der Feminismus, der Umweltschutz, etc. Das sind die Themen der neuen Generation und daraus erwachsen inhaltliche Probleme mit der anderen Bewegung. Frage: Was für Alternativen schlagt ihr denn konkret den BäuerINNEN vor und wie reagieren die Männer darauf? U.R.: Die Bäuerinnen wollen alternative Produktionsmöglichkeiten. Die Frage des Besitzes, des gemeinsamen Besitz-

tums stand bei den Frauen unserer Organisationen bisher nicht im Vordergrund, sondern ihre Forderungen betreffen ihre ökonomische Situation. Bildung ist ein grosses Thema unter den Frauen, sowohl für sich selber wie auch für ihre Töchter. ASUDI z.B. hat ein Frauennetzwerk gegründet, dessen Ziel die Sensibilisierung der Frauen ist. Es gibt einige Mitgliederorganisationen der Plataforma, in denen die Männer (und z.T. auch die Frauen) etwas resistent wirken gegenüber den Frauen- oder VGGenderthemenNF. Zum Teil sind das Organisationen mit religiösem Hintergrund, für die ,,Gender" gleichbedeutend mit dem Zerfall der Familie ist. Wobei ich glaube, es ist nicht so sehr die Religion, sondern der Machismus, der sie so denken und handeln lässt. Frage: Was siehst du für kurz- und langfristige Perspektiven? U.R.: Das Wichtigste ist für uns im Moment die Stärkung der einzelnen Organisationen, damit sie selber aktiv an den Diskussionen über ländliche Entwicklung teilnehmen können. Sie sollen selber evaluieren und entscheiden können, welche Einkommensalternativen für sie in Frage kommen und sie sollen in der Lage sein, ihre Interessen auch gegen aussen zu vertreten. Dann geht es auch um politische Bildung und Stärkung, damit sie Teil der lokalen Entscheidungsstrukturen werden. Frage: Und der Druck von der Strasse, um diesen Forderungen Gewicht zu verleihen? U.R.: Damit werden wir natürlich fortfahren. Doch ich glaube nicht, dass wir damit viel erreichen. Vielen Dank für das Gespräch!


PDF Original-PDF 331 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte