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Die Zivilgesellschaft: unentbehrlich für den Friedensprozess

Fijáte 201 vom 29. Dez. 1999, Artikel 1, Seite 1

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Die Zivilgesellschaft: unentbehrlich für den Friedensprozess

Laut AnalytikerInnenen können nur durch eine höhere Gewichtung dieser Abkommen und ihre effektive Umsetzung die Grundlagen für den Regierungsplan einer Nation geschaffen werden, in der Gleichheit und Kulturenvielfalt keine leeren Begriffe sind.

Die Funktionsstörung geht weiter

Zum einen liegt die Verantwortung für die langsame und unbefriedigende Umsetzung der Friedensabkommen bei der Regierungspartei PAN. Ein anderes grosses Hindernis ist das Systems der politischen Parteien.

Die politischen Parteien Guatemalas haben nicht als Kommunikationskanäle funktioniert zwischen dem Staat und der Gesellschaft. Ihre Verhalten tendieren dazu, nur eine Selbstdarstellung zu sein und eine Darstellung der vertikalen und cliquenhaften Macht, deren Ausdruck sie sind. Der Einfluss, den diese Machtstruktur auf die Friedensabkommen haben kann, hat sich in ihrer Haltung im Kongress gezeigt.

Laut der Publikation Alerta Legislativa überwachten die politischen Parteien während den letzten drei Regierungsjahren die Friedensagenda der Regierung nicht. Im Gegenteil, sie hielten sich abseits von einer Diskussion oder Kontrolle der Friedensabkommen.

Auch die PAN, die eine Mehrheit und die höchsten Posten in den gesetzgebenden Kommissionen hatte, verhielt sich so und initierte keine Gesetze die strukturelle Veränderungen nach sich gezogen hätten.

Aus diesem Grund - so die Publikation - beinhaltet die gesetzgebende Friedensagenda ein grosses Defizit: "Nur 39 der 130 Gesetze, die für ihre Umsetzung notwendig sind, sind geschaffen worden, womit 91 weitere in Zukunft noch in Kraft zu setzen sein werden." Von diesen haben 51 direkt mit den wichtigen Themen zu tun. Die Reformen am Wahlgesetz und am Gesetz über politische Parteien bleiben hängig, obwohl sie von strategischer Wichtigkeit sind für die Demokratisierung, Professionalisierung und Transparenz der jeweiligen Einrichtungen.

Ein weiteres Beispiel des schlechten Funktionierens der Parteien war die Art und Weise, wie sie die VGVolksbefragungNF im letzten Mai angegangen sind. Wegen Verhandlungen auf höchster Ebene wurden in der Consulta Popular dem Volk beinahe vierzig Reformen mehr zur Abstimmung vorgelegt, als es eigentlich hätten sein sollen. Mit Ausnahme der Demokratischen Front Neues Guatemala VGFDNGNF schafften die Parteien im Kongress nur Verwirrung und weigerten sich, effektiv zu einem Ja in der Consulta aufzurufen.

Zu den Effekten des Resultates der Consulta Popular gehört, dass es im Moment unmöglich ist, in der Justizverwaltung Veränderungen vorzunehmen. Ebenso ist es unmöglich, bei der Frage zum Auftrag des Militärs oder den fehlenden Grundlagen zur Umsetzung des Indigena-Abkommen weiterzukommen.

Laut den Ergebnissen einer Umfrage von Inforpress sind auch führende Mitgliedern der VGURNGNF und die sich streitenden paritätischen und begleitenden Kommissionen von dieser politischen Handlungsunfähigkeit betroffen.

Der Druck der URNG auf die PAN - abgesehen von der Forderung nach Umsetzung des Steuerpakets - wurde hinter verschlossenen Türen ausgeübt und war nicht gross. Auch der begleitenden Kommission gelang es nicht, mit den restlichen paritätischen Kommissionen und der Bevölkerung im Allgemeinen ins Gespräch zu kommen, obwohl sie die Aufgabe hatte, eine 'technischenund politische Analyse über die Fortschritte und Schwierigkeiten bei der zeitlichen Umsetzung der Abkommen' zu machen.

In gleicher Weise verpassten es die VertreterInnen der sozialen Organisationen in den paritätischen Kommissionen nicht nur, sich untereinander zu koordinieren, sondern auch, gebotene Gelegenheiten zu nutzen, um ein vielfältiges Netz von beratenden Organisationen und GesprächspartnerInnen zur Erarbeitung ihrer Vorschläge aufzubauen.

Die VertreterInnen der Volksorganisationen, welche in den Kommissionen mitarbeiteten, waren einer Dynamik des Aktivismus und einer übertriebenen Anzahl Sitzungen unterworfen und verpassten es, Führungsfunktionen zu delegieren, um mit der sozialen Basis ihrer Organisationen zu kommunizieren. Viele der Kommissionen isolierten sich von den Prozessen in den Gemeinden ung der politischen Tagesordnung der Regierung. Dies trotz dem Effort, den sie machten, da sie ihre Vorschläge im Vergleich mit den Abgeordneten der Regierung unter finanziell und technisch ungleichen Bedingungen machen mussten.

Ausserhalb der Kommissionen wurden in erster Linie Beziehungen geknüpft zu Personen und Instanzen, die eine ähnliche politische Haltung vertreten. Entsprechend wurden Ideen und Vorschlägen ideologisch nicht befreundeter Organisationen vernachlässigt.Diese Form politischen Leadertums teilt die Kommission durchaus mit den klassischen Parteien. Bedauerlicherweise verhindert er den Aufbau von vielfältigen und dauerhaften Allianzen, welche für die Verhandlungen und zur Druckausübung wichtig wären.

Neue Lehren

Man ist sich in breiten Kreisen einig, dass es notwendig ist, die für die Umsetzung der Abkommen zuständigen staatlichen Institutionen zu reorganisieren. Dies hauptsächlich, weil es wichtig ist, aus den Schwächen und Fehlern zu lernen, die aus der Isolierheit und Aufsplitterung der Kommissionen, der mangelnden Information der Bevölkerung und der sektoriellen Zersplitterung resultierte.

Ein anderer, nicht minder wichtiger, Grund ist die absolute Notwenigkeit, sich auf eine neue Regierung vorzubereiten. So wird die URNG nicht mehr einfach eine der Verhandlungsparteien im Friedensprozess sein, sondern sie wird im Kongress als politische Partei vertreten sein. Deshalb wird auch ihre exklusive Teilnahme in den Kommissionen nicht mehr unterstützt werden. Es wird bereits davon gesprochen, die begleitende Kommission neu zu strukturieren, indem sie anderen sozialen Gruppierungen geöffnet wird.

Ein weiterer Grund, diese Veränderungen anzustreben, ist das Wissen darum, dass, egal welche Partei an der Regierung sein wird, diese mit der Friedensagenda fortfahren wird, um ihre internationalen Beziehungen aufzubauen. Es ist zu befürchten, dass vermehrt interne Interessen der Regierung die Prioritäten setzen werden und immer weniger die Friedensabkommen an sich.

Um dieses Szenario zu vermeiden und die Möglichkeit der sozialen Mitsprache noch zu vermindern, sind verschiedene Organisationen und nationale Koordinationen zum Schluss gekommen, dass es notwendig ist, eine Diskussion über die Bildung von Allianzen rings um die strategischen Friedensabkommen zu führen.

In dieser Vorwahlzeit sind Organisationen wie die Koordination Ja zum Frieden/ Kuchuj Voz Ciudadana entstanden, deren Vorschläge im allgemeinen mit denen der VGUASPNF (VGGewerkschaftsdachverbandNF) übereinstimmen. Diese werden nach wie vor als allgemeine Forderungen strukturiert und es bleibt abzuwarten, mit welcher Klarheit und technischer Seriosität sie der neuen Regierung präsentiert werden. Laut einem Vertreter dieser Gruppierung ist das Ziel nicht nur, Klarheit darüber zu haben, was verlangt wird, sondern dem Staat konkrete Mechanismen vorzuschlagen, die er umsetzen soll. Es soll auch die Fähigkeit erlangt werden, Verhandlungen zu führen und Druck auszuüben, speziell gegenüber den UnternehmerInnen und der Armee.

Die Suche nach Kontinuität des Friedensprozesses

Mit dem Ziel, die Umsetzung der Friedensabkommen auch während der nächsten Regierungsperiode in der Agenda zu haben, wurde von der begleitenden Kommission in Zusammenarbeit mit der ASC (Vereinigung der Zivilgesellschaft) und dem Encuentro Nacional por la Paz (Nationales Friedenstreffen) der erste Nationale Kongress der Zivilgesellschaft für den Frieden organisiert. An diesem Anlass unterzeichneten die Präsidentschaftskandidaten eine moralische Verpflichtung, den Friedensprozess weiterzuführen und die noch ausstehenden Abkommen zu erfüllen.

Für die TeilnehmerInnen des Kongresses ist es unabdingbar, dass die Regierung während den ersten sechzig Regierungstagen den zeitlichen Ablauf der Umsetzung der Abkommen der begleitenden Kommission und dem Volk vorlegen.

Sowohl die VertreterInnen der sozialen Organisationen, welche an diesem 1. Kongress teilnahmen, wie auch die VertreterInnen der Regierung und die sozialen und politischen Organisationen, die am Encuentro por la Paz teilnahmen, sind sich einig, dass es notwendig ist, dass die nächste Regierung die Empfehlungen der VGWahrheitskommissionNF umsetzt und dass die Exekutive "nicht die Anwendung der Justiz übernimmt". Hingegen wird erwartet, dass diese gestärkt wird, indem ihr die nötigen Finanzen zur Verfügung gestellt werden, um aus der aktuellen Krise herauszukommen.

Bezogen auf die Themen 'ländliche Entwicklung und Boden' muss die neue Regierung zehn Hauptpunkte berücksichtigen. Darunter den Zugang zum Boden, die Konfliktlösung, das Kataster, die juristische Sicherheit und Regulierung, soziale Beteiligung, soziale Finanzmittel, althergebrachtes Recht, Bauernorganisationen und Agrarpolitik.

Es wurde ebenfalls auf die Dringlichkeit der Ausarbeitung einer neuen Militärdoktrin hingewiesen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden muss.

Drei Jahre ohne wesentliche Fortschritte

Vor kurzem präsentierte die URNG ihren Bericht des Friedensprozesses 1997 bis 1999. Im Unterschied zu früheren Berichten ist dieser kritischer und zeigt auf, dass die Regierungspartei "wegen ihrer ideologischen, politischen und finanziellen Abhängigkeit" sich nicht an die zentralen Friedensabkommen hielt.

Es heisst darin auch, dass die VGFRGNF eine systematische Haltung gegen die Friedensabkommen einnahm, was, falls sie die VGPräsidentschaftswahlenNF gewinnen sollte, "Rückschritte oder einen Abbruch des Friedensprozesses und eine Rückkehr zu einer gewaltvollen Vergangenheit bedeuten könnte".

Einige KritikerInnen bemängeln, dass dieser Bericht wahltaktische Ziele verfolgt und dass die URNG sich in den letzten drei Jahren nicht kämpferisch gezeigt hatte. Der Bericht gibt auch zu, "dass die URNG nicht genug Kampfgeist hatte, da sie absorbiert war von den Anstrengungen der Demobilisierung, der Eingliederung in die Legalität und dem langen Weg der Gründung und Legalisierung der Partei."

Der Bericht anerkennt die Existenz von minimalen Fortschritten, aber "die wesentlichen und strategischen Teile der Friedensabkommen sind nicht erfüllt und verzögert worden."

Davon betroffen sind u. a. die Steuerreform, die VGVerfassungsreformNF, eine greifbare und wirkungsvolle Sozial- und Landwirtschaftspolitik, die Reform des Militär- und Sicherheitssystems und des VGGeheimdienstesNF, die Wahlreform und diejenige des Justizwesens.


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