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Die Medien in der (Selbst-)Kritik

Fijáte 318 vom 8. Sept. 2004, Artikel 1, Seite 1

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Die Medien in der (Selbst-)Kritik

Auch bestätigten einige der befragten JournalistInnen, die ihre Identität nicht preisgeben wollten, dass die DirektorInnen der Presseorgane sorgfältig die Recherche-Agenden und Mitteilungen überwachten und Themen wie Korruption in der derzeitigen Regierung, Privilegkonditionen für grosse Firmen des Landes oder jegliche kritische Äusserung über die Medien selbst, änderten oder ablehnten. Schliesslich kamen die Konsultierten zu dem Schluss, dass das Fehlen und der Ausschluss dieser Themen auf die politischen Verpflichtungen ihrer DirektorInnen und der Medienbesitzenden zurückzuführen sei. Ignorierte Klagen Da der üblicherweise praktizierte Journalismus immer mal wieder Rückgriff auf unbestätigte Informationen tägigt und oft Behauptungen aufstellt werden, ohne die Position der entsprechenden Person einzuholen, sollen die in dem Brief aufgeführten Fälle nicht ins Detail verfolgt werden, solange sie nicht bestätigt sind. Entsprechend beschränken wir uns hier auf die grobe Wiedergabe einiger Anschuldigungen. - Der Wechsel des Innenministers stünde in Verbindung mit einem unlauteren Geschäft mit 80 Streifenwagen; - Der Kauf von Medikamenten seitens des VGGesundheitsministeriumsNF sei zugunsten von Unternehmen getätigt worden, in denen ministeriale FunktionärInnen Teilhabende seien; - Mittels des Landfonds VGFONTIERRASNF sei eine überbewertete Finca verkauft worden, die Eigentum des Innenministerium war, und andere anormale Geldzahlungen seien vom Fonds getätigt worden; - Die Vorwürfe der Korruption beträfen auch Regierungsmitglieder der alten Amtsführung, die unter der neuen weiterhin wichtige Posten innehätten; - Es seien Schmiergelder geflossen, um den Nachrichtenfluss zu beeinflussen, zudem seien Arbeitsplätze in der Regierung zu Gunsten befreundeter oder affiner JournalistInnen vergeben worden; - Zwischen einem VGKooperativenverbandNF und einer VGLändlichen EntwicklungsbankNF hätten unerlaubte Finanzierungen stattgefunden: Der Verband habe einen Kredit beantragt und damit Aktien derselben Bank gekauft, inzwischen sei der Geschäftsführer des Verbandes Präsident des Bankenvorstandes. ,,Dies sind nur einige der Informationen, die an die Presse gelangten. In manchen davon wurden die Ermittlungen aufgenommen, konnten jedoch aufgrund der Unternehmenspolitik nicht beendet werden. All diese Anzeigen sind mit den dazugehörigen Beweisen an die zuständigen Behörden weitergeleitet worden, doch bis dato sind noch keine Untersuchungsschritte aufgenommen worden." So endet der Brief. Ende der Flitterwochen? Inforpress befragte einige JournalistInnen hinsichtlich ihrer jeweiligen Arbeitssituation. Ohne Ausnahme beschwerten sich alle über zwei Probleme: Heilige Kühe und Verleumdungskampagnen. Nie würde kritisch über Werbung schaltende Unternehmen berichtet. Beispielsweise gelangten die hohen Zwischenhandelsgewinne von Supermärkten nie an die Öffentlichkeit, um nicht das Risiko einzugehen, die Werbeeinnahmen zu verlieren. Fälle der Steuerhinterziehung oder Zollkorruption, die Produzenten und Importeure von Hühnchen belangten, seien ebenso wenig Thema für journalistische Recherchen. Einer der angesprochenen JournalistInnen stellte die Entscheidung von elPeriódico in Frage, die an einer Hand abzählbaren Anomalien in den Organisationen zu recherchieren, die zur VGPlataforma AgrariaNF gehörten, während dessen kein einziges Medium ernsthaft den Anzeichen der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe nachgehe, die von grossen Unternehmen und Kommunikationsmedien begangen würden. In der Woche, nachdem der Brief in Umlauf gebracht wurde, war dessen Inhalt Diskussionsthema unter den Journa-

listInnen, die die verschiedenen Quellen abdecken. Doch niemand, weder KolumnistInnen noch LeitartiklerInnen, traute sich, das Thema direkt anzugehen. Eine konsultierte Quelle schreibt einen Teil der regierungsfreundlichen Umgangsweisen der Presse den traditionellen ,,Flitterwochen" von Medien und neuer Regierung in den ersten Monaten der Amtsführung zu. Diese Wahrnehmung wurde Anfang des laufenden Jahres gestärkt durch die massive gerichtliche Verfolgung von FunktionärInnen der vorherigen Regierung und deren flächendekkenden Berichterstattung in allen Medien. Monatelang belegten die schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Regierungsclan der VGRepublikanischen Front GuatemalasNF (FRG) die Schlagzeilen und lenkten von dem völligen Fehlen jeglicher Berichterstattung über mögliche Korruptionsvorfälle unter VGOscar BergerNF ab. Doch in den letzten Monaten drückten sich die Risse in der labilen Allianz, die Berger ins Präsidentschaftsamt gehoben hat, in einer stärkeren Öffnung der Medien aus. Dennoch vermögen die politischen Veränderungen die grundlegenden Strukturen in den Verlagshäusern nicht zu beeinflussen. Diese Strukturen, die dazu neigen, die Interessen ihrer Besitzenden und den WerbekundInnen zu begünstigen und sich in Wahlzeiten an ihren KandidatInnen zu orientieren, beinhalten gleichsam eine Perspektive, die generell die wirtschaftliche VGGlobalisierungNF, die VGFreihandelsabkommenNF und die Wirtschaftsvorschläge des Privatsektors favorisiert. Derweil sind die Verteilung des Reichtums, die strukturellen Hintergründe der Korruption und die Suche nach Lösungen für die Agrarkrise Tabuthemen in den meisten Massenmedien. Die Macht der Presse Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (PNUD) hat in seiner Demokratiestudie ein Kapitel dem Thema der Kommunikationsmedien gewidmet. ,,Mit Hilfe der Presse konzentrieren die Unternehmenden noch mehr Macht auf sich, sei es, weil sie ihre EigentümerInnen sind oder weil sie mittels der Steuerung von Werbung entsprechende Konditionen stellen. Diese Allianz ermöglicht ihnen die Macht, die Diskussionsthemen zu bestimmen und Einfluss auf das öffentliche Image von FunktionärInnen, politischen Parteien und Institutionen zu üben", so der PNUD-Bericht. Bemerkenswert am Verfahren der Presse sind die Selektivität, mit der sie die herrschende Korruption recherchiert ­ nämlich als parteipolitisches Problem und nicht als strukturelles ­ und die Popularisierung vom politischen Geschehen, was vornehmlich in den ,,Klatsch- und

Tratschspalten" passiert. Eine Analyse der entsprechenden Kolumne ,,El Peladero" (das Wort ,,pelar" kann u.a. sowohl ,,lästern" als auch ,,(Hühnchen) rupfen" heissen, die Red.) in elPeriódico zeigt auf, dass es zwei grosse Leerstellen in den Gesellschaftskreisen gibt, die normalerweise Zielscheibe für die


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