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"Der einfachste Weg ist, alle GewerkschaftsführerInnen umzubringen..."

Fijáte 198 vom 17. Nov. 1999, Artikel 1, Seite 1

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"Der einfachste Weg ist, alle GewerkschaftsführerInnen umzubringen..."

Die Gewerkschaftsseite betonte einmal mehr, dass die Bosse den Mitch ausnützten, um die Gewerkschaften zu zerstören und ihre Fincas ohne die Entlassenen wieder aufzubauen. Sie betonten ebenfalls, dass sie vom Staat keinerlei Hilfe bekommen hätten. Laut UNSITRAGUA dauert auf den acht Fincas im Besitz von Dole ein Arbeitstag von fünf Uhr morgens bis neun Uhr nachts.

Am 27. September dieses Jahres entliess BANDEGUA (Del Monte) 897 ArbeiterInnen dreier Fincas. Begründung: Die geringe Nachfrage nach Bananen auf dem Weltmarkt und die durch anhaltend starke Regenfälle verursachten Produktionsausfälle.

Die Gewerkschaft SITRABI hielt dem entgegen, dass die drei Fincas verkauft werden sollten, also sehr wohl produktiv seien. Am 2. Oktober streikten die 2000 ArbeiterInnen der anderen acht Del Monte- Fincas, während die Entlassenen vor dem Haus des möglichen zukünftigen Besitzers demonstrierten. Die breite Solidarität unter den ArbeiterInnen kam unter anderem deshalb zustande, weil die (noch) nicht direkt Betroffenen befürchteten, ihnen könne es ebenso ergehen, speziell weil alle Fincas durch den über die Ufer tretenden Fluss Motagua und die anhaltenden Regenfälle in Mitleidenschaft gezogen waren.

Und dann eskaliert die Situation noch mehr: Am 13. Oktober wurde bekannt, 22 Gewerkschaftsführer von SITRABI seien von der Bevölkerung von Morales dazu gezwungen worden, zurückzutreten. Das, weil ebendiese Bevölkerung nicht mitansehen könne, wie die Bananenproduktion gestoppt werde, da sie davon in Mitleidenschaft gezogen werde. Ihr Rücktritt war in der Nacht vor einer geplanten Strassenblockade am Eingang von Morales, erzwungen worden.

Der Arbeitsminister erklärte daraufhin, der erzwungene Rücktritt der Gewerkschafter sei nicht rechtskräftig, da nur die Vollversammlung der BananenarbeiterInnen oder ein Gerichtsentscheid diesen aussprechen könne. Ebenfalls wurde bekannt, dass die Gewerkschafter mit dem Tod bedroht worden sind.

Erst in der darauffolgenden Woche, nachdem alle Gewerkschaftsführer und ihre Familien in der Hauptstadt eine sichere Zuflucht gefunden hatten, wurde bekannt, was in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober wirklich vor sich gegangen war:

An besagtem Abend kamen schätzungsweise 200 schwerbewaffnete Männer zum Gewerkschaftshaus, nahmen dort zwei Mitglieder des Exekutivkomitees fest, fuhren mit ihnen zum Haus des Generalsekretärs der Gewerkschaft, den sie, bevor sie ihn ins Auto verluden, verprügelten. Ebenso zwangen sie die Gewerkschafter dazu, die weiteren Mitglieder des Exekutivkomitees und andere Gewerkschaftsführer in das Gewerkschaftshaus zu rufen.

Einer der Gewerkschafter beschrieb den Hergang des Geschehens folgendermassen: "Der erste, der sprach, war der Präsident der lokalen Handelskammer, der mitteilte, BANDEGUA habe sie dahingehend informiert, dass das Unternehmen Guatemala verlassen werde, wenn die Demonstration vom 14. Oktober stattfinden würde. Er sagte uns, dies dürfe nicht geschehen, denn sonst würde Morales zu einer Geisterstadt, und deshalb müssten wir zurücktreten.

Dann sprach der Komandant der Bewaffneten und erklärte, es gebe nur einen Weg, um das Problem zu lösen und der sei, alle Gewerkschaftsführer umzubringen. Er ordnete an, uns zu fotographieren, so dass wir jederzeit wiedererkannt werden könnten. Er zwang uns, über das Gemeinderadio die ArbeiterInnen aufrufen, am nächsten Tag nicht an der Demonstration teilzunehmen und den entlassenen ArbeiterInnen von Bobo anzuordnen, ihre Abfindung zu kassieren und von den Plantagen zu verschwinden."

Zwei der Gewerkschaftsführer wurden zur lokalen VGRadiostationNF mitgenommen und dort mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen, den ArbeiterInnen mitzuteilen, es sei eine Einigung mit BANDEGUA erreicht worden und es bestehe keine Notwendigkeit für die Demonstration.

In der Zwischenzeit hatten die Bewaffneten einen Juristen herbeigeschafft, der die Rücktritte der Gewerkschaftsführer notifizierte. Ebenso wurden sie gezwungen, ihre Arbeit bei BANDEGUA zu kündigen. Währenddessen wurden im Gewerkschaftshaus die Gewerkschftsführer verspottet und gefilmt, während sie unter Zwang aussagen mussten, ihr Rücktritt sei freiwillig.

Um 2 Uhr morgens wurden sie mit dem Befehl, Morales zu verlassen und nie mehr wierderzukommen, freigelassen.

Noch ein interessantes Detail: Das Gewerkschaftshaus liegt nur ca. 400 m vom Polizeiposten entfernt, aber trotz dem Hin und Her von Fahrzeugen mit schwer bewaffneten Insassen und den Bewaffneten, die das Gewerkschaftshaus umstellt hatten, mischte sich die Polizei zu keinem Zeitpunkt ein.

VGMINUGUANF bezeichnet diese Vor-kommnisse als die schlimmste Verletzung der VGFriedensverträgeNF seit dem Mord an Bischof VGGerardiNF. Die Gewerkschaftsführer und ihre Familien stehen zur Zeit unter dem Schutz von MINUGUA, sind aber auf der Suche nach einem Exilland, da sie davon ausgehen, dass die Leute, die sie bedroht haben, entsprechende Beziehungen haben, um sie überall in Guatemala aufspüren und umbringen zu können.

Am 25.Oktober fand im Sitz der Guatemaltekischen ArbeiterInnenunion UGTNF, eine Pressekonferenz statt, an der auch der Exekutivdirektor des "Projektes für ArbeiterInnensolidarität VGUSANF-Lateinamerika" teilnahm, um direkt über die Protestaktionen sowohl gegen Del Monte Fresh Products wie auch über das Verhalten der guatemaltekischen Regierung in dieser Geschichte zu informieren. Auch bei europäischen Organisationen riefen die Ereignisse Besorgnis und Proteste hervor.

Das VGArbeitsministeriumNF informierte in einem Inserat, dass sich, nachdem BANDEGUA die Entlassungen ausgesprochen hatte, SITRABI an das Ministerium gewandt habe, welches sogleich intervenierte und BANDEGUA darauf aufmerksam machte, dass die Entlassungen illegal seien. Die Gewerkschaft habe sich sehr kooperativ gezeigt, habe sogar die Möglichkeit eingebracht, dass die ArbeiterInnen selber die Fincas übernehmen und weiterführen könnten. Das Arbeitsministerium habe, als es von den Protestaktionsabsichten der Gewerkschaft erfuhr, ihr von illegalen Aktionen abgeraten, was aber in keiner Weise das Vorgehen gegen diese rechtfertige.

BANDEGUA ihrerseits bezeugt in einem Inserat, überhaupt nichts mit den Geschehnissen in der Nacht des 13. Oktobers zu tun zu haben und schreibt, falls die Rücktritte der Gewerkschaftsführer gegen deren Willen gewesen seien, würde BANDEGUA diese Rücktritte nicht anerkennen.

Zum grossen Erstaunen der Schreiberin dieses Artikels bedauerte auch der VGCACIFNF ( rechter Unternehmerverband) in einem Inserat die Vorkomnisse und rief Staat und Justiz dazu auf, die Schuldigen festzustellen und vor Gericht zu bringen.

Bis jetzt hat die guatemaltekische Regierung keine Schritte unternommen, um die Männer zu verhaften, welche die Gewerkschafter unter Waffenandrohung zum Rücktritt zwangen. Den Behörden sind die Namen von mindestens vierzig an der Aktion Beteiligten bekannt. Es könne jedoch nichts unternommen werden, solange keine offizielle Anzeige vorliege, hiess es. Die Gewerkschafter ihrerseits sind aber erst dann dazu bereit,eine Anzeige einzureichen, wenn ihnen und ihren Familien Schutz zugesichert wird.


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