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Die neue Regierung: «Trojanisches Pferd» oder «Der Alte und das Meer»?

Fijáte 399 vom 5. Dezember 2007, Artikel 1, Seite 1

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Die neue Regierung: «Trojanisches Pferd» oder «Der Alte und das Meer»?

Die moderate Perspektive wird von der offiziellen Entwicklungszusammenarbeit der VGVereinigten StaatenNF, der VGEuropäischen UnionNF und der VGWeltbankNF vertreten, denen politische Stabilität und eine wirkungsvolle öffentliche Administration am Herzen liegen, um Märkte zu entwickeln und politische Krisen in ihren Einflusszonen zu verhindern.

Die Vereinigten Staaten haben bei den guatemaltekischen NGOs mit Schulungen und Finanzierungen Boden gutgemacht. Das Fehlen einer genauen Analyse von Seiten der NGOs hat deren Annäherung an Sektoren begünstigt, die historisch von der staatlichen Korruption profitiert haben. Das Ergebnis ist, dass diejenigen sozialen Kräfte, die eine kontrollierende Funktion einnehmen könnten, eingebunden und de-mobilisiert werden.

Das trojanische Pferd

Der Kampf um die Definition von Konzepten wird immer heftiger. Begriffe wie Korruption, Demokratie, VGMenschenrechteNF werden so unterschiedlich definiert, dass sie Opposition zwischen AkteurInnen hervorrufen. Doch die Tatsache, dass die verschiedenen Diskurse von gemeinsamen Finanzierungsquellen gespiesen werden, trägt oft zur politischen Vermischung unterschiedlicher Agenden bei. In diesen Fällen verwandeln der Pragmatismus, die Mittelmässigkeit und der Opportunismus diese «Antivirus-Programme» in Träger neuer Viren, die den Diskursen zu Grunde liegen.

Für einige AnalystInnen liegt die Lösung in der Wiederbelebung der Dichotomie Freund-Feind. Denn solange es keine Feinde gibt, gibt es auch keine Notwendigkeit für Freunde. «Die tiefsten Wurzeln der Krise des Wohlfahrtsstaates liegen weniger in einer manipulierten Finanzkrise als in der ideologischen Einprägung des Verschwindens der Freunde und ihrer Ersetzung durch ein Meer fremder, im besten Fall indifferenter, im schlechtesten Fall gefährlicher Körper.» (Bonaventura de Souza Santos)

Der günstigste Moment für eine Regierung, die Korruption bekämpfen will, sind die ersten Monate ihrer Administration. Dies ist eine risikoreiche Zeit, und es herrscht eine Tendenz, radikale Entscheidungen zu vermeiden. Nichtsdestotrotz muss die Herausforderung darin bestehen, die Beziehungen Staat-Unternehmen durch Beziehungen Staat-Gemeinwesen zu ersetzen. Es wird einen gefährlichen Moment geben, in der die korrupten Alliierten sich der Regeländerung bewusst werden und es erfordert die Bereitschaft der Regierung, das Risiko einer allgemeinen Krise einzugehen. Diese Strategie stellt eine Art trojanisches Pferd dar, weil sie das «Geschenk» des Wahlsieges in ein Werkzeug zur Bekämpfung der Korruption verwandelt.

Zweifellos beinhalten die erforderlichen Veränderungen auch ein Umdenken und -handeln der beteiligten Personen. Es muss von der Idee ausgegangen werden, dass der Mensch über eine grosse Fähigkeit zum Selbstbetrug verfügt. Diese Fähigkeit ist besonders ausgereift, wenn wir in Hierarchien stecken und uns selber nur als ein Glied in einer Kette wahrnehmen. Dazu eine Person, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist: «Manchmal identifiziere ich mich mit den AkteurInnen weiter oben in der Kette, manchmal mit den Personen weiter unten. Ich kann die Personen weiter ‹unten› kritisieren, wenn ich mit meinen Vorgesetzten über Vorgehensweisen und Erledigungen spreche, und ich kann die Leute weiter ‹oben› kritisieren, wenn ich mit meiner Basis über Nord-Süd Beziehungen spreche.»)

Inforpress hat diese Strategie des trojanischen Pferdes in den Workshops für VGCOCODESNF und COMUDES (Komitees für Entwicklung auf Gemeinde- und Bezirksebene) unter der Schirmherrschaft der munizipalen BürgermeisterInnen thematisiert. In den Treffen werden den Führungspersonen der Gemeinden Informationen und Analysen präsentiert, und im Workshop wird aufgezeigt, wie wichtig die BürgerInnenbeteiligung für das Funktionieren einer Munizipalität ist.

In einigen Fällen stehen die BürgermeisterInnen unter Druck und in korrupten Verhältnissen zu Kongressabgeordneten, sozialen Fonds und anderen Instanzen der Zentralregierung. Wenn sie nicht entschieden handeln, um diese Abhängigkeiten loszuwerden, wird jede Administration zu jenem Modell zurückkehren, das mit den sechs Regierungen der letzten 22 Jahre, ohne Ausnahme, existierte. Dieses Modell hat eine Parallele in der Erzählung "Der Alte und das Meer" des Schriftstellers Ernest Hemingway. Jedes Mal bei den Wahlen schafft es eine andere Partei, einen Fisch zu fangen, der so gross ist, dass er in ihrem Boot keinen Platz hat. Wenn sie vier Jahre später am Hafen ankommt, ist ihre Beute wegen der Gefrässigkeit der Haie, die unbestraft ums Boot herum schwimmen, auf Knochen zusammengeschrumpft. Im Fall der Politik in Guatemala sitzen viele Haie sogar mit im Boot.

Zusammengefasst: Die Korruption ist ein notwendiges und zentrales Thema für jede Regierung, die mit dem Teufelskreis vom Alten und dem Meer brechen will. Wenn sich der Kampf gegen die Korruption nicht in eine soziale Bewegung verwandelt, die von der Regierung mitgetragen wird, geht der Zerfallsprozess unverzüglich weiter. Wenn der Kampf moderat ist anstatt kontra-hegemonial und sozial zu sein, wird sein Resultat oberflächlich und stabilisierend sein, ohne die Beziehungen und Strukturen, die eine Regierung an die Macht gebracht haben, zu verändern.

Es gibt keine Erfolgsgarantien, wenn man beschliesst, diese Probleme anzupacken, aber es gibt sehr wohl eine Misserfolgsgarantie, wenn es nicht gemacht wird.


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