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Ländliche Entwicklung und Agrarpolitik: Lektion gelernt?

Fijáte 416 vom 13. August 2008, Artikel 1, Seite 1

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Ländliche Entwicklung und Agrarpolitik: Lektion gelernt?

Während des ganzen Jahres 2006 wurden Vorschläge ausgearbeitet und diskutiert, doch war auch in dieser Gruppe die Dominanz der UnternehmerInnen offensichtlich. Von Seiten der politischen Parteien, die ebenfalls an dem Prozess teilnahmen, kam der Vorschlag, auch die ländliche Entwicklung auf die Agenda zu setzen. Glücklicherweise erklärten die UnternehmerInnen ihre Bereitschaft und zogen sich nicht von den Diskussionen zurück. Sie beriefen sich auf die Metapher einer "Autobahn, die genügend breit ist, damit auf ihren verschiedenen Spuren (Rechts, Mitte, Links) mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten gefahren werden kann".

Als im Rahmen des "Plan Visión del País" die Diskussionen über die ländliche Entwicklung begannen, stiess man anfänglich auf dieselben scheinbar unlösbaren Probleme wie am Rundtisch der Regierung Berger: Agrarstruktur, bäuerliche Ökonomie, die Rolle des Staates und die Institutionalisierung einer Politik der ländlichen Entwicklung. Schliesslich gelang es, ein von allen Parteien unterstütztes Dokument zu unterzeichnen. Darin wurde anerkannt, dass der Zugang zu Land (nebst technischem Know-how und Finanzierung) für KleinbäuerInnen ein wichtiges Element ländlicher Entwicklung ist. Um diesen Zugang zu gewähren, müssten die herkömmlichen juristischen Instrumente, die Konfliktlösungsstrategien und die Verteilmechanismen überprüft werden. Enteignung wurde dabei explizit ausgeschlossen, dem Staat hingegen die Möglichkeit zugestanden, auf illegale oder betrügerische Weise angeeignetes Land zurückzuerlangen.

Wie man sieht, wurde hier die konfliktreiche Beziehung zwischen Agrarpolitik und ländlicher Entwicklung erfolgreich unter einen Hut gebracht - zumindest theoretisch. Den politischen Parteien, die nie an den Rundtischen der vorherigen Regierungen teilgenommen hatten, gelang es, einen Konsens zu erlangen, der weit über die frustrierten Initiativen der letzten Jahre hinausgeht.

Leider scheiterte dieser erfolgversprechende Ansatz daran, dass die den "Plan Visión del País" dominierenden UnternehmerInnen dem Kongress einen Gesetzesvorschlag vorlegten, der die juristischen Grundlagen für die Umsetzung des Dokuments bilden sollte - ohne diesen jedoch den anderen involvierten Gruppierungen und Parteien im Vorfeld vorzulegen. Gemäss VertreterInnen dieser übergangenen Gruppen entspricht der Gesetzesvorschlag nicht den in dem gemeinsam erarbeiteten Papier vereinbarten Punkten.

So verabschiedeten zwar die wichtigen politischen Parteien unter der Schirmherrschaft der UnternehmerInnen ein brauchbares politisches Dokument, das jedoch in der aktuellen Konstellation nicht mit dem Rückhalt der Legislative rechnen kann. Und die sozialen Bewegungen, die sich mit dem bäuerlichen und umweltschützerischen Kämpfen solidarisieren, waren bei diesem "partizipativen" Prozess überhaupt nicht vertreten.

Die aktuelle Situation

Heute liegen dem Kongress verschiedene Gesetzesinitiativen über ländliche Entwicklung vor: Die oben genannte, eine, die von der Allianz für eine integrale ländliche Entwicklung (ADRI) eingereicht wurde, welche verschiedene soziale und bäuerlichen Organisationen umfasst, und eine von der Regierung erarbeitete, die ein Konsens der beiden anderen sein will.

Analysiert man die "lessons learned" der vergangenen Jahre, ist relativ einfach ersichtlich, was die Herausforderungen an den von Präsident VGAlvaro ColomNF initiierten neuen Prozess in Sachen ländlicher Entwicklung sind:

- Die Konsensfindung zwischen der umweltschützerisch-bäuerlichen Bewegung und ihrer Alliierten (kleine UnternehmerInnen, Nichtregierungsorganisationen, AkademikerInnen) und dem Regierungssektor, der notorisch einen progressiven und sozialdemokratischen Diskurs vertritt, der aber nicht der Mehrheit entspricht, sowie einem Präsidenten, der sich, wenn er sich gegenüber den UnternehmerInnen positionieren muss, zwischen ungestüm und unterwerferischer Reue bewegt.

- Sollte tatsächlich eine solche Einigung zustande kommen und eine konsensfähige Gesetzesinitiative vorgelegt werden, wer garantiert, dass die Kongressabgeordneten der Regierungspartei VGUNENF, die so divers und heterogen wie die Regierung selber ist, auch wirklich dahinter stehen?

- Sollte das Wunder der Unterstützung durch die UNE-Abgeordneten eintreten, wie kann erreicht werden, dass auch die anderen Parteien die Zustimmung geben für ein Projekt, das "nur" vom Präsidenten, der Regierungspartei und den sozialen Organisationen ausgearbeitet wurden?

- Und last but not least: Werden die Führungsspitzen der UnternehmerInnen ein Gesetz und eine Politik akzeptieren, deren finale Ausformulierung zwar "partizipativ" war, sie aber nicht daran beteiligt waren?

Wie man sieht, der Weg geht steil bergan. Sicher darf man das Engagement der Regierung (oder eines Teils von ihr) nicht ausser acht lassen, einen Konsens mit den BäuerInnen- und Umweltschutzorganisationen zu erreichen. Hoffentlich findet sich eine Form, damit auch die politischen Parteien in den Prozess einbezogen werden, da ja diese Initiative, sollte sie erfolgreich sein, auf den Schreibtischen des Kongresses landet.

Hoffentlich findet sich auch eine Form, die UnternehmerInnen einzubeziehen, und zwar so, dass sie zu einer Konsenslösung beitragen und nicht durch ihre Abwesenheit einmal mehr die Umsetzung des so oft wiederholten Prozesses verunmöglichen.


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