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Handel vereinigt? - Verhandlungsstart zwischen Zentralamerika und der Europäischen Union

Fijáte 381 vom 21. März 2007, Artikel 1, Seite 1

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Handel vereinigt? - Verhandlungsstart zwischen Zentralamerika und der Europäischen Union

Guatemala verfolgt derweil eine ähnliche Strategie wie damals gegenüber den Vereinigten Staaten, indem es versucht, die Vorteile zu festigen, die die EU im Moment der Region durch das Allgemeine Präferenzsystem SGP Plus1 gewährt. "Mit anderen Worten heisst das", erklärt Rodríguez, "dass die Konsolidierung der Zugangsvorteile, die die grossen Exporteure geniessen, die in erster Linie in Verbindung mit VGKaffeeNF, VGBananenNF, VGTabak und Sesam stehen sowie in geringeren Mengen mit tropischen Pflanzen und Früchten, allein die grossen Unternehmensgruppen begünstigten wird, die die Gewinner des ganzen Prozesses der Handelsliberalisierung sind.

Der Analyst setzt hinzu, die EU lasse dabei bereits durchblicken, dass Zentralamerika in ihrer Globalen Strategie nur zwei Dinge bedeuten kann: 1. Die gleichen Vorteile zu erreichen, die die mittelamerikanische Region den USA mittels des CAFTA zugebilligt hat und 2. die Themen aufzugreifen, die bei den WTO-Verhandlungen in der Doha-Runde auf der Strecke geblieben sind und somit sich den Zugang zum Markt der USA zu verschaffen, was zukünftige Vorteile generiere in den multilateralen Verhandlungen angesichts des Scheiterns der Verhandlungen von Hong Kong und des Ins-Stocken-geraten der Entwicklungsrunde in Doha. In diesem Sinne zentriert die Europäische Union ihr Interesse auf die Themen der Dienstleistungen, dem intellektuellen Eigentum, Regierungsinvestitionen und -käufen, schlicht: den Themen von Singapur auf der Agenda der WTO.

Die Diskussion der Themen des politischen Dialogs und des Zusammenarbeitsprozesses an den Rundtisch der "Anderen Themen" zu delegieren, weisst darauf hin, dass die Handels- und Wirtschaftsaspekte definitiv vorherrschen, so wie es schon die Presseerklärung der EU-Delegation in Guatemala bestätigt: "Die Abkommen werden die Bedingungen schaffen für die graduelle Einführung einer Freihandelszone zwischen der EU und den beiden Regionen (Mittelamerika und Anden, die Red.) und werden sowohl den intra- wie biregionalen Handel entfalten." Angesichts dieser Prämissen schätzen zahlreiche AnalystInnen, dass das Ergebnis ein klassischer Freihandelsvertrag sein wird, im besten neoliberalen Stil der Deregulierung, mit Schutz für Investitionen und verwalteter Handelsvereinbarung in der Absicht, komparative Vorteile zwischen beiden Regionen zu erhalten.

Suzan van der Meij vom Lobbyprogramm in Europa für Zentralamerika (PICA), sagt die Konsequenzen des Abkommens voraus: weniger Arbeitsplätze, ein eingeschränkterer Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen aufgrund der Privatisierungen und höhere Lebenshaltungskosten, die unter anderem auf die volkswirtschaftlichen Effekte sowie auf eine ungünstigere Handelsbilanz zurückzuführen sind, da die europäischen Importe zu- und die Exporte abnehmen werden.

Geopolitische Interessen

Auf diese Ängste angesprochen, gesteht Melo de Sampaio ein, dass die Art der Investitionen, die mit dem Abkommen in Zentralamerika vorangetrieben werden sollen, keine massive Zunahme von Arbeitsplätzen mit sich bringen wird, "aber das ist heutzutage normal, wo die neuen Arbeitsplätze meist Spezialisierungen nachfragen." Die mögliche Privatisierung von Dienstleistungen sieht der EU-Funktionär als ermutigend, "denn obwohl die Preise steigen, werden die Dienste auch besser und der Staat nimmt (von den Privatunternehmen) mehr Steuern ein, um in die öffentlichen Ausgaben investieren zu können." Und hinsichtlich der möglichen unvorteilhafteren Handelsbilanz ist Melo de Sampaio der Ansicht, dass durch das Abkommen wahrscheinlich die Exporte steigen, da es ein enormes Wachstumspotential gebe, traditionelle Produkte nach Europa zu verkaufen.

Nichtsdestotrotz besagen Daten der EUROSTAT, dass während der ersten vier Jahre des Freihandelsabkommens zwischen der EU und VGMexikoNF (2000-04) der Handel zwischen den Partnern gerade einmal um 3% gestiegen ist. Die Exporte aus Mexiko in die EU wuchsen im Schnitt um 5% pro Jahr, während die Importe aus der EU leicht fielen.

Doch, so schliesst Melo de Sampaio letztendlich, das Hauptanliegen des Abkommens sei nicht kommerziell, sondern geopolitisch. "Wir leben in einer unipolaren Welt, und die EU ist daran interessiert eine ausgeglichenere Welt zu schaffen, wo die Länder mehr Macht haben können, um in Blöcken oder als Regionen zu verhandeln. Daher stammt unser Glaube in den Multilateralismus, und Zentralamerika könnte ein strategischer Alliierter sein."

Tatsächlich hat die Wiederholung im Verhandlungsmandat, das aus dem Gipfel von Wien hervorging und vorsieht, die Zusammenarbeit zugunsten der sozialen Kohäsion zu stärken, Erwartungen geweckt, die weit über die unternehmerischen Bereiche hinausgehen. "Und dieser Aspekt könnte die Bruchstelle sein dafür, dass dieses Handelsabkommen weder kontrovers ist noch die gleichen Leidenschaften weckt, wie es beim Prozess des CAFTA der Fall war", spekuliert Rodríguez.

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Fußnote: 1 Der SGP Plus, der für die zentralamerikanischen Länder am 1. Juli 2005 in Kraft trat und rund 7´200 Produkte umfasst, ist ein System, das zusätzliche Präferenzen speziell gefährdeten Ländern zugesteht unter der Bedingung, eine Reihe von Kriterien zu erfüllen. Dazu gehören die Ratifizierung und Implementierung von 27 internationalen Abkommen über nachhaltige Entwicklung und Umwelt, Arbeitsrechte und Gute Regierungsführung. Ausserdem darf die Produkt- und Exportpalette der involvierten Länder nur wenig diversifiziert sein und keines der Länder darf für mehr als 1% der von der EU importierten Güter verantwortlich zeichnen. Länder, die mehr als 15% der Importe an die EU in einer bestimmten Produktgruppe liefern, verlieren ihren Präferenzstatus. In der Textilindustrie liegt das Limit gar bei 12,5%. Diese Regelungen sollen dafür sorgen, dass vor allem bedürftige Länder in den Genuss von Zollerleichterungen kommen können.


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