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Öl im Dschungel

Fijáte 304 vom 25. Feb. 2004, Artikel 1, Seite 1

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Öl im Dschungel

Hätte er das nicht getan, wäre es wohl bis heute nicht zu den Aufräumarbeiten an zahlreichen Stellen im Regenwald gekommen. "Ich bin sehr stolz auf das, was ich getan habe. Ich habe diese Möglichkeit, etwas für meine Gemeinde und mein Land zu tun, gerne genutzt. Ich würde es heute wieder tun, denn an den Konsequenzen der Verschmutzung leiden vor allem die VGKinderNF." Wäre Don Cristobal nicht der entscheidende Informant gewesen, hätte sich der Ölkonzern wahrscheinlich Millionensummen sparen können. Zwei Jahre lang wurden riesige Mengen Sand bewegt, tonnenweise ölbindende Chemikalien eingesetzt und grossflächig verseuchter Urwaldboden abtransportiert. Tausende Bäume wurden gepflanzt. Die Tiere des Urwalds kehrten zurück. Doch Cristobal Peréz musste für diese Erfolge einen hohen persönlichen Preis zahlen. "Anfangs hatte ich grosse Angst. Ich wurde immer wieder bedroht. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich an den Ombudsmann für VGMenschenrechteNF und die Kommission der VGVereinten NationenNF zu wenden. Dort bekam ich wertvolle Unterstützung. In der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft hingegen wurde mir gesagt, ich hätte mich halt nicht auf einen Streit mit einem millionenschweren Konzern einlassen sollen. Sie meinten, ich sei selber Schuld an der Bedrohung." Das Amt des Ombudsmannes für Menschenrechte in Guatemala ist eine staatliche Institution, die jedoch unabhängig von der Regierung arbeitet und aus dem Ausland finanziert wird. Ihr Leiter, der Ombudsmann Sergio Morales, hat nur wenig Einfluss auf politische Entscheidungen, in Einzelfällen aber kann er öffentlichkeitswirksam auf VGKorruptionNF und Umweltverbrechen aufmerksam machen. So konnte er auch Cristobal Peréz helfen, wodurch er ihm womöglich das Leben gerettet hat. Der Kleinbauer musste das Dorf Rubelsanto verlassen, aber seine Frau und seine vier Kinder wohnen noch immer dort. "Wenn ich zu Besuch nach Hause komme, habe ich weiterhin grosse Angst," sagt Cristobal Peréz. "Ich fürchte, jemand könnte kommen, um mich zu töten. Sie haben es ja schon einmal versucht." Doña Reyna, die Frau von Cristobal Peréz, hat sich in Rubelsanto mit einem kleinen Geflügelhandel eine Lebensgrundlage aufgebaut. "Aber ich weiss nicht, wie lange wir noch hier bleiben werden. Wir haben Angst vor den Leuten der Ölfirma," sagt sie. "Sie lassen uns nicht in Ruhe und reden schlecht über uns. Trotzdem denke ich, es war gut so. Die Firma hat viel in die Säuberung investieren müssen. Deshalb sind die Chefs hier vor Ort so wütend auf Cristobal. Doch eines Tages muss jeder mal sterben. Wenn man stirbt, weil man die Wahrheit gesagt hat, dann ist das gut so." Von seinen NachbarInnen bekommt Cristobal Peréz nur wenig Unterstützung. Zwar freuen sie sich darüber, dass ein Teil der Verschmutzung beseitigt worden ist, doch viele trauen sich nicht, in der Öffentlichkeit mit Cristobal Peréz gesehen zu werden. In der Region ist der Einfluss der Ölfirma grösser als der der Polizei oder staatlicher Behörden. So bringen nur wenige BewohnerInnen von Rubelsanto den Mut auf, über weitere verschmutzte Flächen zu sprechen. Einige berichten im Schutz der Dunkelheit, dass die Bagger der Firma längst nicht alles saubergemacht haben. Einer der Bauern sagt: "In der Umgebung der Produktionsanlage liegen immer wieder tote Tiere, vor allem Vögel. Das Gas in der Luft und das Öl auf dem Boden richten viel Schaden an." In der Produktionsanlage fliesst Öl aus allen Bohrlöchern der Region durch Pipelines zusammen. Von der Strasse aus kann man sehen, wie an der Spitze eines etwa vierzig Meter hohen Turms Tag und Nacht giftiges Gas abgefackelt wird. Vor zwei Jahren hat die Firma eine Mauer gebaut, um die Anlage vor neugierigen Blicken zu schützen. Doch wer sich auf den Weg durch den Dschungel macht, kann unbemerkt bis zur Mauer vordringen. Erst geht es einen steilen Hügel hinab durch ein Gestrüpp tropischer Pflanzen. Kleine Echsen, die wie erstarrt auf grossen grünen Blättern liegen, schauen den Eindringlingen hinterher. Am Fuss des Hügels geht es weiter über ein Feld, auf dem einige magere Rinder grasen. Schon hier riecht die Luft deutlich nach Gas und Öl. Ein paar hundert Meter weiter muss man durch ein sumpfiges Gebiet waten. Das Wasser reicht bis zu den Knöcheln. Danach beginnt erneut ein Gestrüpp voller Dornen, Lianen und Insekten, diesmal aber ist kein Tier zu sehen, kein Vogel zwitschert. Im Licht der aufgehenden Sonne glänzen die Pfützen auf dem Boden in öligen Farben. Der Bauer bricht einen Ast ab und steckt ihn tief in den Boden. Als er ihn herauszieht, ist der Ast schwarz wie Asphalt. Aus dem Loch dringt ein beissen-

der Ölgestank. "Dieser Schmutz ist schon seit Jahren hier. Nie hat sich jemand darum gekümmert." Fünf Meter von der Mauer der Anlage entfernt tut sich ein etwa dreissig Quadratmeter grosses Loch auf, randvoll mit altem, hartem Öl. "Dieses Bekken wurde vor langer Zeit mit Öl gefüllt," erinnert sich der Bauer. "Der Regen hat die Verschmutzung über eine grosse Fläche ausgebreitet. Die Mauer wurde erst vor kurzem gebaut. Dabei hat bestimmt jemand das alte Becken gesehen, aber es wurde nicht sauber gemacht. Natürlich habe ich Angst, hier zu stehen. Das Gas ist gefährlich. Die von der Firma verbieten es den Leuten, hierher zu kommen. Wenn uns einer der Wächter sieht, könnten wir Probleme bekommen. Mit uns armen Bauern machen die reichen Geschäftsleute, was sie wollen. Unser Schicksal ist denen völlig egal. Aber irgendjemand muss ja was sagen. Sonst wird diese Ölverschmutzung nie beseitigt." Die Ölindustrie in Guatemala wird mehr und mehr zu einem der einflussreichsten Machtfaktoren innerhalb der Gesellschaft. Solange sich die Politik mehr für gute Beziehungen zu ausländischen Investoren als für eine Bewahrung der ökologischen Schätze des Landes interessiert, können Firmen wie PERENCO weitgehend ungestört schalten und walten. In dieser Situation sind engagierte Menschen wie Cristobal Peréz Sand im Getriebe, die mit Hilfe der Medien und internationaler Solidarität punktuell Erfolge erzielen können.


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