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Eingeschränkte Möglichkeiten für oppositionelle Politik

Fijáte 274 vom 11. Dez. 2002, Artikel 1, Seite 1

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Eingeschränkte Möglichkeiten für oppositionelle Politik

Man darf die Rolle nicht vergessen, die die VGUSANF in Lateinamerika spielten, aber ich würde sagen, in jüngster Zeit haben die Vereinigten Staaten einigen Druck ausüben können. Zum Beispiel haben sie erreicht, dass Untersuchungen gegen Militärs eingeleitet wurden, die verdächtigt werden, den klandestinen Gruppen anzugehören. Das Interesse der USA darf aber nicht als humanitäre Geste missverstanden werden!

VGMINUGUANF hat im Verlauf ihrer Tätigkeit Höhepunkte und Tiefschläge durchgemacht, aber in ihrem letzten Bericht hat sie die Existenz der klandestinen Gruppen bestätigt und die Notwendigkeit betont, dass diese verschwinden müssen. MINUGUA hat durchaus die Möglichkeit, die internationale Gemeinschaft für dieses Thema zu sensibilisieren, z.B. über die UNO-Menschenrechtskommission in Genf.

Frage: Im Moment wird darüber diskutiert, wer eine mögliche Nachfolge von MINUGUA antreten könnte, wenn deren Mandat in einem Jahr abläuft. Es ist vom VGMenschenrechtsprokuratNF (PDH), von der VGDefensoría MayaNF und von den Entwicklungsräten die Rede. Schliessen wir mal das Menschenrechtsprokurat aus...

M.M.: Nein, die PDH dürfen wir nicht ausschliessen! MINUGUA ist im Moment daran, eine Übergabe in die Wege zu leiten. Leider hat sich dies alles verzögert, unter anderem wegen der PDH. Die PDH war von Anfang an dafür vorgesehen, einen Teil der Aufgaben von MINUGUA zu übernehmen. Der letzte Chef der PDH, VGJulio ArangoNF, hat aber leider die Institution völlig zerstört. Mit dem neuen Ombudsman, VGSergio MoralesNF, könnte sich dies wieder ändern. Er kommt aus der Menschenrechtsszene und wir setzen eine gewisse Hoffnung in ihn. Natürlich muss er sich jetzt erst beweisen und er hat eine schwierige Aufgabe vor sich, denn er muss die PDH völlig restrukturieren.

Frage: In letzter Zeit gab es ein paar Meldungen, in denen die PDH eher schlecht abschnitt. In VGSololáNF und im VGQuichéNF sollte der lokale Menschenrechtsombudsman aus unerklärlichen Gründen ausgewechselt werden und die Bevölkerung hat sich dagegen gewehrt, weil sie 'ihren' Ombudsman behalten wollte.

M.M.: Das ist regional sehr unterschiedlich. Es gab sogar unter Arango in gewissen Regionen sehr gute PDH-Teams und die Leute in diesen Regionen haben ein positives Bild der PDH. In der Hauptstadt hingegen sprechen wir schlecht über die PDH, weil wir in den letzten Jahren üble Erfahrungen mit ihr machten.

Frage: Wird es Morales schaffen, innerhalb eines Jahres die PDH so umzustrukturieren, dass sie die Aufgabe von MINUGUA übernehmen kann?

M.M.: Ich kenne natürlich seinen Zeitplan nicht und wir können nicht Vertrauen haben in eine Organisation, nur weil ihr Chef uns vertrauensvoll erscheint. Aber ich finde, man muss ihn solidarisch und kritisch begleiten.

Frage: Was ist mit der Defensoría Maya und den Entwicklungsräten?

M.M.: Die Entwicklungsräte basieren auf einer (frg-nahen, die Red.) Struktur, von der man nicht weiss, wie sie sich weiterentwickelt. Es ist mir auch nicht klar, welchen Teil der Aufgaben von MINUGUA diese Räte übernehmen sollen. Ansonsten kann ich mir schon vorstellen, dass neben der PDH gewisse andere Organisationen involviert werden, z. B. die Defensoría Maya oder Menschenrechtsorganisationen. Man muss sich einfach versichern, dass die Strukturen dieser Organisationen solide genug sind.

Frage: Ist es in der aktuellen Situation angebracht, die Überwachung der VGMenschenrechteNF einer Institution anzuvertrauen, die finanziell von der Regierung abhängig ist wie die PDH oder die Entwicklungsräte? Wäre es nicht sinnvoller, diese Aufgabe einer internationalen Organisation zu übergeben?

C.A.: Eine internationale Organisation wäre sicher besser geeignet, um sich mit den klandestinen Gruppen zu befassen. Die PDH hat in früheren Zeiten - nicht unter Arango, aber davor - gezeigt, dass sie durchaus in der Lage ist, die Menschenrechtsverletzungen zu überwachen. Bevor ich die PDH als mögliche Nachfolgerin von MINUGUA ausschliesse, weil sie finanziell von der Regierung abhängig ist, würde ich versuchen, ihr einen Rahmen zu schaffen, der ein unabhängiges Arbeiten erlaubt.

M.M.: Wir dürfen die PDH nicht mit einer staatlichen Institution verwechseln, die finanziell von der Regierung abhängt. Die PDH ist kein Exekutivorgan der Regierung. Sie hängt zwar vom Kongress ab, weil dort der Ombudsman gewählt wird, und ist auch finanziell abhängig, aber sie hat eigene Statuten, um eine unabhängige Arbeit zu leisten.

Frage: Wie seht ihr die Aussichten für das nächste Jahr?

C.A.: Das nächste Jahr ist ein Wahljahr. Es gibt bereits einen definitiven Kandidaten, VGOscar BergerNF von der VGPANNF. Bei der VGFRGNF ist noch nicht klar, wer Präsidentschaftskandidat wird. Zumindest um Aufruhr zu veranstalten, werden sie versuchen, VGRíos MonttNF aufzustellen. Wenn sie das machen, stellen sie das Wahlgericht, das dieses Jahr neu zusammengesetzt wurde, sowie das VGVerfassungsgerichtNF, das der FRG übrigens sehr nahe steht, vor eine schwierige Aufgabe. Mit dem Wahlgericht gibt es noch ein kleines Problem, das aber irgend einmal zu einem grossen Problem werden könnte: Es ist zusammengesetzt aus fünf Richtern und fünf Stellvertretern, die vom Kongress ernannt wurden. Einer der fünf Richter hat jedoch sein Amt nie angetreten und der Kongress hätte einen anderen Richter ernennen müssen, der das Amt übernimmt. Im Moment hat der Stellvertreter das Amt inne, was eigentlich gar nicht geht, denn er kann ja niemanden 'vertreten'. Das ist ein juristisches Problem, und in einem Konfliktfall könnte eine vom Wahlgericht gefällte Entscheidung angezweifelt werden, weil dieses Gericht legal nicht abgesichert ist.

Seitens der Linken gibt es keinen Kandidaten, der Hoffnung auf eine Alternative weckt. Im Gegenteil, die Linke spaltet sich weiter. Es sieht also so aus, dass es ein Rennen zwischen der FRG und der PAN geben wird.

Frage: Rechnet ihr damit, dass es im Wahljahr mehr Menschenrechtsverletzungen gibt?

M.M: Das kann man nicht voraussagen. Man kann aber sicher sagen, dass es im nächsten Jahr ein politisches Vakuum geben wird, ein Machtvakuum und unter diesen Umständen kann alles passieren. Der Präsident hat jetzt schon bekannt gegeben, dass seine Regierungszeit abgelaufen sei und dass er nichts mehr machen wird.

C.A.: Eine weitere Unbekannte nächstes Jahr ist die Frage, wie sich die Kaffeekrise entwickelt. Es wird bereits das dritte Krisenjahr sein. Dies hat einen Einfluss auf die ganze Wirtschaft des Landes. Und wenn jetzt noch die Sache mit den Eurobonos dazu kommt, wird sich die wirtschaftliche Situation noch mehr zuspitzen. So wird der neue Präsident, der im Januar 2004 sein Amt antritt, sagen, er habe das Land im Bankrott übernommen und dass es deshalb schwierig sei, seine Wahlversprechen zu erfüllen.

Vielen Dank fürs Gespräch!


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