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"Wir haben noch nicht geklärt, was wir eigentlich wollen und wofür wir kämpfen"

Fijáte 222 vom 8. Nov. 2000, Artikel 1, Seite 1

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"Wir haben noch nicht geklärt, was wir eigentlich wollen und wofür wir kämpfen"

Der wichtigste Aspekt der Wiedereingliederung (auch eine Sache, die wir uns zuwenig überlegt haben) ist, dass es zum Überleben eine Arbeit braucht. Wer damit beschäftigt ist, hat keine Zeit mehr, sich der Parteiarbeit zu widmen, ausser vielleicht einmal an einem Wochenende. Die finanziellen Probleme werden zu einer wichtigen Einschränkung der politischen Arbeit. Es geht nicht um Nachlässigkeit, sondern es ist ein grundsätzliches, politisches Problem. Viele Fragen werden innerhalb der Partei nicht ausführlich behandelt, weil sie auch in den Köpfen der GenossInnen nicht klar sind.

Frage: War die Parteiführung nicht in der Lage, diese Fragen zu klären...?

Monsanto: Da die grundsätzlichen Probleme nicht geklärt sind, beschränkt sich die Parteiführung auf die Lösung der praktischen Probleme. Sie vermeidet es, grosse Brocken anzupacken. Was sich meiner Meinung nach baldmöglichst definieren muss, ist eine Position gegenüber der Regierungspolitik, gegenüber den andern politischen Parteien, gegenüber der Mainstream-Presse. Es geht dabei um eine Frage der Allianzen.

Die Parteiführung hingegen beschränkt sich auf die Lösung der Alltagsprobleme und darauf, eine Vermittlerposition zwischen der Regierung und der Gesellschaft einzunehmen.

Frage: Ist es nicht so, dass alle Probleme, die Sie erwähnen, im Grunde mit dem Sektierertum zu tun haben, das schon immer ein Merkmal der Guerillaorganisationen war?

Monsanto: Sektierertum ist immer subjektiv und führt meist zur Isolation. Es ist etwas, dass sich immer in gewissen parteipolitischen Kreisen ergibt. Es gab immer schon konjunkturelle Positionen und strategische Positionen. Aber es geht darum, weder der einen noch der andern zu verfallen. Um Position in einer bestimmten Konjunktur zu beziehen, braucht es ein strategisches Ziel. Einer konjunkturellen Entwicklung nachzuhängen, ohne strategische Ziele zu verfolgen, kann der Untergang einer Partei sein.

Frage: Vielleicht wiederhole ich mich, aber: Warum ist ein Mangel an interner Demokratie, an fehlender politischen Positionierung in Bezug auf die Probleme des Landes vorhanden?

Monsanto: Es ist das Fehlen eines klaren Horizontes, eines definierten Weges. Manchmal sitzen wir (das Exekutivkomitee der URNG) in endlosen Sitzungen und diskutieren interne Parteiprobleme, während auf der Strasse die Bevölkerung am demonstrieren ist.

Manchmal ist es unheimlich schwierig, eine Einigung zu finden, weil wir uns, wie schon gesagt, nicht einig sind, was der Begriff 'Demokratie' für unsere Partei bedeutet.

Frage: All diese Probleme, die Sie hier erwähnen - weiss die Basis davon?

Monsanto: Nein, denn es gibt keine funktionierenden Kommunikationswege. Ich treffe mich monatlich mit den Departementsverantwortlichen und informiere sie über die Themen, die auf nationaler Ebene diskutiert werden. Aber es hat sich klar gezeigt, dass diese monatlichen Treffen nicht ausreichen.

Auch auf dieser Ebene wird nicht mit der uneingeschränkten Offenheit und Ehrlichkeit informiert. Dies, obwohl wir seit einem Jahr eine spezielle Kommission für organisatorische Angelegenheiten haben, die ein Kommunikationsystem zu den einzelnen SekretärInnen der Partei entwickelt hat. Leider hat diese Kommission bisher in ihrer Arbeit versagt.

Frage: Aber das ist doch ein praktisches Problem: Wenn eine solche Kommission nicht funktioniert, kann sie nicht einfach ausgewechselt werden?

Monsanto: Eine solche Struktur innerhalb der URNG auszuwechseln zieht politische Probleme nach sich, denn auch innerhalb der Kommissionen sind verschiedene politische Positionen anzutreffen. Auch da ginge es darum, solche Kommissionen auf einem demokratischen Weg zu wählen, und nicht von der Führungsspitze zu ernennen

Frage: Wenn solche Fragen innerhalb der Parteispitze diskutiert werden, geht es da ehrlich und offen zu und her, oder sind die einzelnen VertreterInnen auch 'diplomatisch' in ihren Statements?

Monsanto: Es wird versucht, aber es kann nicht gesagt werden, dass Offenheit herrscht in unseren Diskussionen. Dieses Misstrauen hat seine Wurzeln in der Geschichte der URNG. Und solange dieses Misstrauen herrscht, können alle andern Probleme nicht angegangen werden.

Frage: Das Sektierertum habt ihr in den letzten dreissig Jahren nicht überwinden können, wie sollte dies in ein paar Monaten möglich sein?

Monsanto: Es ginge ja nur darum, Normen und Regeln aufzustellen, an die wir uns parteiintern halten könnten.

Frage: Um einen Prozess in Gang zu bringen, wie Sie sich ihn vorstellen, bräuchte es jemanden, der oder die ihn anführt. Haben Sie eine Idee, wer das sein könnte?

Monsanto: Ich selber habe mich angeboten, diesen Prozess zu leiten. Dies bedeutet in erster Linie, mit vielen GenossInnen darüber zu diskutieren, was der Begriff 'Demokratie' für sie bedeutet.

Frage: Um einen solchen Prozess zu leiten, braucht es einen engen Bezug zur Basis. In Ihrem Fall hat es viel Kritik gegeben, Sie würden die lokalen Parteibüros und die ehemaligen KämpferInnen im Stich lassen .

Monsanto: Ich habe es bisher unterlassen, innerhalb der Partei meine eigene Kampagne zu lancieren, ausser, als es darum ging, die Position als Generalsekretär zu erlangen. Es ist unmöglich, eine Kampagne dieser Art zu starten, ohne von der einen oder anderen Seite angegriffen zu werden.

Ich habe an Sitzungen in den verschiedenen Departementen teilgenommen, aber die Diskussionen, die dort geführt werden, sind sehr weit entfernt von den internen Problemen der Partei. Es lag mir dann auch jeweils fern, über diese Probleme zu sprechen. Ich habe es nicht gemacht, aber ich weiss, dass andere GenossInnen es gemacht haben. Würde ich beginnen, meine eigene Meinung kundzutun, distanzierte ich mich von der offiziellen Position der URNG. Dies würde politische Probleme nach sich ziehen. Wenn ich innerhalb der Partei gewisse Positionen vertreten habe, hiess es oft, "dies ist die Meinung des Generalsekretärs, nicht diejenige des Exekutivkomitees."

Deshalb habe ich aufgehört, innerhalb der Partei meine eigene Meinung zu vertreten. Aber jetzt, wo die Probleme sowieso öffentlich geworden sind, habe ich mir vorgenommen, den Kampf um die Demokratisierung der Partei anzuführen.


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